News aus dem Teilprojekt B01


Jour Fixe mit Prof. Sara Niedzwiecki am Mittwoch, 19.06.2024

Als letzte Veranstaltung unserer SFB 1342 Jour Fixe-Vorlesungsreihe im Sommersemester hielt Sara Niedzwiecki von der University of California, Santa Cruz, am 19. Juni 2024 einen Vortrag über "Immigrants and the Welfare State in Latin America. Barriers to access". Der Vortrag wurde nicht nur von zahlreichen Kolleginnen und Kollegen vor Ort besucht, sondern konnte auch über ein Videokonferenzformat verfolgt werden.

Abstract:

Countries in the Global South experienced a massive increase in immigration in the past decade, with more migrants ending up there than in the Global North. Within South America, over seven million Venezuelans have left their country since 2015, leading to an extraordinary scale of intraregional migration. During these same years, and due to the expansion of social programs, millions of citizens in the region accessed basic income and better-quality healthcare, many for the first time. This talk studies these dual trends and analyzes whether social policies effectively incorporate immigrants. Failing to provide newcomers with a basic standard of living produces social exclusion. It shows that immigrants have more impediments to accessing the welfare state than citizens, even for universal public health, but especially for targeted social assistance. This derives from a combination of political elites’ views around the degree to which immigrants “deserve” access to different types of policies. The research focuses on the barriers that immigrants face to accessing social policy in middle-income South American countries with high rates of immigration—Argentina, Brazil, Chile, and Colombia. Barriers to access are measured through qualitative coding of social assistance, social pensions, and public healthcare that build on legal documents, information requests, and secondary literature from 1990 to 2023, and public officials’ views are measured through in-depth interviews. In analyzing barriers to accessing social policy, this study contributes to the literatures on comparative welfare states and immigration, as well as comparative social policy in middle income countries. 

Sara Niedzwiecki is Associate Professor of Politics at the University of California, Santa Cruz. She studies social policy, subnational politics, and immigration in Latin America. Sara is the author of Uneven Social Policies: The Politics of Subnational Variation in Latin America (2018, Cambridge University Press), which was awarded LASA's Donna Lee Van Cott Book Award from The Political Institutions Section and the International Public Policy Association's IPPA Book Award. She also co-authored Measuring Regional Authority: A Postfunctionalist Theory of Governance (Oxford University Press, 2016). Sara has authored and co-authored articles in Comparative Political Studies, Electoral Studies, Latin American Politics and Society, Studies in Comparative International Development, Regional and Federal Studies, PS: Political Science and Politics, International Political Science Review, among other peer-reviewed journals. During 2020-2021 academic year, Sara was a fellow at the University of Notre Dame’s Kellogg Institute for International Studies where she worked on a new project on social policy and immigration in South America.

Website: saraniedzwiecki.com


Kontakt:
Prof. Dr. Delia González de Reufels
SFB 1342: Globale Entwicklungsdynamiken von Sozialpolitik, Institut für Geschichtswissenschaft / FB 08
Universitäts-Boulevard 13
28359 Bremen
Tel.: +49 421 218-67200
E-Mail: dgr@uni-bremen.de

Prof. Natalia Sobrevilla Perea, Universität Kent
Prof. Natalia Sobrevilla Perea, Universität Kent
Prof. Natalia Sobrevilla Perea, Universität Kent

Im Rahmen des Jour Fixes des SFB 1342 am 12. Juli 2023 präsentierte Prof. Natalia Sobrevilla Perea von der Universität Kent ihre aktuellen Forschungsergebnisse zur Entstehung der Sozialfürsorge in der Peruanischen Armee im 19. Jahrhundert. In ihrem Vortrag gab sie Einblicke in ihr kurz vor Veröffentlichung stehenden Buch "Armed citizens and citizens in arms, the military and the creation of Peru (1800-1870)", das bei Cambridge University Press erscheinen wird.

Sie erläuterte ihre historische Forschungsarbeit zur Geschichte des peruanischen Militärs und erörterte ihre Erkenntnisse, inwiefern das Militär als Institution die erste Organisation innerhalb des Staates war, die ihren Mitgliedern spezifische soziale Sicherungssysteme in Hinblick auf Gesundheitsvorsorge, Alterssicherung und Hinterbliebenenleistung sowie Invalidenversorgung bereitstellte. Mit den zahlreichen Teilnehmenden diskutierte Natalia Sobrevilla Perea im Anschluss an ihren Vortrag über die Ursprünge, Strukturen und Prozesse dieser Entwicklungsgeschichte.

Natalia Sobrevilla Perea ist Professorin für Lateinamerikanische Geschichte an der School of Cultures and Languages der Universität Kent. Zu ihren Forschungsinteressen zählen Staatsbildung und politische Kultur in den Anden vom Ende der Kolonialzeit bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Darüber hinaus beschäftigt sie sich mit Fragen der Identität und ethnischen Zugehörigkeit in Peru sowie mit militärischer Kultur im 19. und 20. Jahrhundert in Südamerika.

Veröffentlichungen:

Sobrevilla Perea, N. (2023) ‘The Abolition of Slavery in the South American Republics’, Slavery and Abolition. Taylor & Francis, S. 90-108. doi: 10.1080/0144039X.2022.2122814.

Eastman, S. und Sobrevilla Perea, N. (2022) Independence and Nation-Building in Latin America. Race and Identity in the Crucible of War. New York, United States: Routledge. Abrufbar unter: https://www.routledge.com/Independence-and-Nation-Building-in-Latin-America-Race-and-Identity-in/Eastman-Perea/p/book/9780367820718.

Sobrevilla Perea, N. (2023) ‘Emerging States’, in Posada-Carbo, E., Innes, J., and Philp, M. (eds) Re-imagining Democracy in Latin America and the Caribbean, S. 1780-1870. Oxford, UK: Oxford University Press. Abrufbar unter: https://global.oup.com/academic/product/re-imagining-democracy-in-latin-america-and-the-caribbean-1780-1870-9780197631577?cc=fi&lang=en&#.


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Prof. Dr. Delia González de Reufels
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Konferzenzbericht

Nach dem Zweiten Weltkrieg mahnte Winston Churchill: "Never let a good crisis go to waste" und wies damit auf das Potenzial hin, dass jede Krise mit sich bringt. Diese Äußerung Churchills war auch den internationalen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Konferenz "Die Wirtschaftskrise und die Sozialpolitik im 20. Jahrhundert" am 1. und 2. Dezember 2022 bekannt, die von der Projektleitung des Teilprojekts B11, Prof. Delia González de Reufels und Prof. Cornelius Torp, organisiert wurde.

Im Mittelpunkt der Konferenz standen die beiden wichtigsten weltweiten Rezessionsphasen des 20. Jahrhunderts: die Weltwirtschaftskrise der späten 1920er und 1930er Jahre und die krisengeprägte Zeit vom Ölpreisschock Anfang der 1970er Jahre bis zur asiatischen Finanzkrise und den wirtschaftlichen Turbulenzen in Lateinamerika am Ende des Jahrtausends. Von diesen Krisen gingen wichtige Impulse für den sozialen Bereich aus und die Konferenz versuchte, diese Entwicklungen zu beleuchten. Waren wirtschaftliche Schocks jemals wirklich globaler Natur? Inwieweit prägt die Erinnerung an frühere Krisen die Reaktionen auf erneuten wirtschaftlichen Abschwung? Und in welchem Verhältnis stehen diese Krisen zur Sozialpolitik? Diese übergeordneten Fragen prägten die Vorträge und Diskussionen.

In der ersten Vortragsrunde ging es um das Zusammenspiel von Krisen, Ungleichheit und Sozialreformen. Phillip Rehm erläuterte zunächst, wie sich Krisen auf die gesellschaftliche Risikowahrnehmung und die Schaffung des Wohlfahrtsstaates auswirken. Sein Modell verknüpft "Risk flips" während einer Krise mit einer erhöhten Präferenz für Sozialprogramme. Paul Dutton zeigte dann auf, wie Historiker*innen eine neue Perspektive für die Analyse ungleicher Gesundheitsverhältnisse in der Bevölkerung einbringen können, indem sie über die medizinische Versorgung als alleinige Determinante der Gesundheit einer Gesellschaft hinausblicken.

Martin Daunton, Jason Scott Smith und Daniel Béland stellten im zweiten Diskussionspanel ihre Forschungsarbeiten über die Wirtschaftskrise der 1930er Jahre und ihre Folgen in Großbritannien, den Vereinigten Staaten und Kanada vor. Sie konzentrierten sich auf die Straffung des Steuersystems, die Ausgaben für öffentliche Arbeitsprogramme und die unterschiedlichen Auswirkungen der Zentralisierung im Vergleich zum Föderalismus auf die Umsetzung der Sozialpolitik. So gelang es ihnen, die Reaktionen der anglophonen Länder auf die Krise und die von ihnen eingesetzten Instrumente aufzuzeigen.

In der dritten Vortragsrunde erläuterten Klaus Petersen und Ángela Vergara die Entwicklung Dänemarks und Lateinamerikas von der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren bis zu den Ölschocks in den 1970er Jahren und der daraus resultierenden Schuldenkrise in Lateinamerika in den 1980er Jahren. Indem sie sowohl interne als auch externe Einflüsse untersuchten, beleuchteten sie die Diskurse, die es den untersuchten Ländern ermöglichten, verschiedene Formen der Sozialpolitik zu etablieren.

Die Referierenden des vierten Panel der Konferenz beleuchteten die Rolle der beschäftigungspolitischen Reformen in Südkorea und Japan im Vergleich und untersuchten Arbeits- und Sozialpolitik als Reaktion auf die Krise in Australien. Juyoung An forderte dazu auf, der Gewerkschaftsstrategie größere Aufmerksamkeit zu schenken, um die unterschiedlichen sozialpolitischen Ergebnisse zu verstehen, während Gaby Ramia die Besonderheit des australischen "Wohlfahrtsstaates der Lohnempfänger*innen" hervorhob.

Zum Abschluss des ersten Tages der Konferenz stellte Carmelo Mesa-Lago in einem Vortrag seine Erkenntnisse über die Rentenprivatisierung in elf lateinamerikanischen Ländern in den Jahren zwischen 1980 und 2020 vor. Er zeigte auf, dass mit Ausnahme einer erhöhten Kapitalisierung der Pensionsfonds keines der Privatisierungsversprechen - von der Angemessenheit der Maßnahmen und der Einbeziehung vieler Beitragszahlenden bis hin zur Vereinfachung des Systems - erfüllt wurde.

Am zweiten Konferenztag beleuchteten Paolo Mattera, Raquel Varela und Paul Stubbs die Auswirkungen von Wirtschaftskrisen auf die Entwicklung des Wohlfahrtsstaates in den beiden Regionen Südeuropa und Südosteuropa. Die Absicht italienischer politischer Akteure, die heimische Steuerpolitik an den Entscheidungen anderer europäischer Länder auszurichten, das Streben Jugoslawiens nach einem ideologisch unabhängigen Narrativ der Blockfreiheit oder radikale interne Veränderungen wie die Nelkenrevolution in Portugal prägen Entscheidungen im Bereich der Sozialpolitik in den jeweiligen Ländern.

Cecilia Rossel und Andrés Solimano stellten ihre Arbeiten über zwei Länder der Südhalbkugel vor: Uruguay und Chile. Die Bankenkrise in Uruguay zu Beginn des 21. Jahrhunderts führte zu einem grundlegenden Wandel in der Sozialpolitik, um einer Verschiebung der Präferenzen für sozialpolitische Maßnahmen entgegenzuwirken. Die Daten deuten darauf hin, dass diese Finanzkrise dazu führte, die Grundsätze des "Washington Consensus" von 1989 zu überdenken. Andrés Solimanos Arbeit lenkt die Aufmerksamkeit in ähnlicher Weise auf die komplexe Beziehung zwischen der zunehmenden sozioökonomischen Ungleichheit in Lateinamerika in der Zeit der Liberalisierung sowie den Antworten im Bereich der Sozialpolitik andererseits.

Die Entwicklung der Sozialpolitik im Angesicht der Krise in Asien, so der Titel des siebten Panels, wurde am Beispiel Chinas erläutert. Laut Aiqun Hu waren die Reformen für soziale Sicherheit, die die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts prägten, eine Reaktion auf die Beschäftigungskrise im China der 1970er Jahre. Die Analyse zeigt, wie die Auswirkungen einer Wirtschaftskrise im Bereich der Sozialpolitik im besonderen Fall eines Systems der zentralen Planwirtschaft angegangen wurden.

Eine lebhafte Debatte rundete den zweiten Tag und damit die Konferenz ab. Insgesamt unterstrich die Konferenz die Notwendigkeit, das Phänomen "Krise" sowohl auf theoretischer als auch auf empirischer Ebene zu bewerten. Die detaillierte Untersuchung der Auswirkungen von Wirtschaftskrisen auf die Sozialpolitik aus trans- und länderübergreifender sowie historischer Perspektive ist ein wichtiges Unterfangen, das, wie die Teilnehmenden betonten, noch lange nicht abgeschlossen ist. Künftige Arbeiten könnten daher das Feld bereichern, indem beispielsweise afrikanische Länder einbezogen werden. Darüber hinaus sind verschiedene Aspekte wie das Geschlecht und die Kategorien von Arbeit, die beispielsweise zwischen formeller und informeller Arbeit unterscheiden, Faktoren, die mehr Aufmerksamkeit verdienen. Die Konferenz verdeutlichte, dass die Verbindung zwischen Wirtschaftskrisen und Sozialpolitik ein wesentlicher Forschungsbereich ist, der das Potenzial hat, das übergreifende SFB-Thema der globalen Entwicklungsdynamiken von Sozialpolitik zu erhellen.

 


Kontakt:
Prof. Dr. Delia González de Reufels
SFB 1342: Globale Entwicklungsdynamiken von Sozialpolitik, Institut für Geschichtswissenschaft / FB 08
Universitäts-Boulevard 13
28359 Bremen
Tel.: +49 421 218-67200
E-Mail: dgr@uni-bremen.de

Prof. Dr. Cornelius Torp
Mitglieder des projekteigenen Expert*innennetzwerks GIST
Mitglieder des projekteigenen Expert*innennetzwerks GIST
Am 5. und 6. Mai veranstaltete das Projekt B01 einen Workshop an der Universität Bremen.

Mit dabei waren Mitglieder des projekteigenen Expert*innennetzwerks GIST (Group Inclusion and Social Policies over Time), einer internationalen Gruppe von Sozialpolitikwissenschaftler*innen aus Südkorea, China, Kenia, Südafrika, Marokko, Iran, Uruguay, Mexiko, USA, Australien, Russland und Schweden.

Ein zentrales Anliegen des Projekts ist es, die zeitliche Abfolge der Inklusion in Sozialsicherungssysteme in 20 Ländern der Welt zu vergleichen. Das Projekt zielt darauf ab, die nationalen Rechtsvorschriften zur sozialen Sicherheit zu untersuchen, um zu identifizieren, welche Gruppen in welcher zeitlichen Abfolge von diesen sozialen Sicherungssystemen erfasst wurden. Zweck des Workshops war es, aus der vergleichenden Analyse von Gruppenkonstruktionen (in Gesetzen zur Alters-, Hinterbliebenen- und Arbeitslosenversicherung) Schlussfolgerungen zu ziehen, um die Legitimationsmuster für die Einbeziehung und den Ausschluss von Gruppen zu untersuchen. Darüber hinaus plante das Netzwerk seine Publikationsstrategie und legte die nächsten Schritte für zukünftige Projekte und Kooperationen fest.


Kontakt:
Dr. Johanna Kuhlmann
SFB 1342: Globale Entwicklungsdynamiken von Sozialpolitik
Mary-Somerville-Straße 7
28359 Bremen
Tel.: +49 421 218-58574
E-Mail: johanna.kuhlmann@uni-bremen.de

Der Band ist ein zentrales Ergebnis des Teilprojektes B01 in der ersten Förderphase und wurde nun sowohl von dem Soziologen Ulf Tranow als auch dem Historiker Johannes Nagel besprochen.

In seinem Buch "Kausale Mechanismen und Process Tracing - Perspektiven der qualitativen Politikforschung" zeigt Frank Nullmeier, wie Politikforschung mittels Process Tracing systematisch angelegt und wie politische Prozesse mittels kausaler Mechanismen im Detail besser verstanden und erklärt werden können. Nullmeier beleuchtet zunächst die Geschichte und die theoretischen Grundlagen des Konzepts der kausalen Mechanismen und präsentiert darauf aufbauend eine Weiterentwicklung zu einer Theorie kausaler Mechanismen. Darüber hinaus erläutert er, wie in der sozialwissenschaftlichen Literatur bereits identifizierte Mechanismen zur Erklärung politischer Entwicklungen genutzt werden können. Das Buch bietet abschließend einen Leitfaden zur Vorgehensweise beim Process Tracing, mit dem Forscher:innen und Studierende eigenständige politische Prozesse analysieren können.

Ulf Tranow, Soziologe und Akademischer Oberrat am Institut für Sozialwissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, hat Nullmeiers Werk gelesen und für Soziopolis eine detaillierte Besprechung geschrieben. Tranow fasst die Kapitel prägnant zusammen, ordnet sie in die Fachliteratur ein und lobt Nullmeiers Integration von Theorie und Empirie: "Die Lektüre lohnt sich sowohl für diejenigen, die sich mit den theoretischen Grundlagen des Mechanismen-Konzepts vertraut machen wollen, als auch für diejenigen, die nach einem eher anwendungsorientierten Zugang zur mechanismenbasierten Einzelfallforschung suchen."

Tranow bemängelt an Nullmeiers Band lediglich eines: dass "… im Buch kaum komplexe Mechanismen vorgestellt und diskutiert werden", obwohl diese für das sozialwissenschaftliche Erklären einzelner Ereignisse nötig seien. Nullmeier ist Tranow zufolge skeptisch, dass auf der Grundlage des bisherigen Forschungsstands eine umfangreiche Zusammenstellung komplexer Mechanismen möglich ist. Dem widerspricht Tranow jedoch: "[N]icht nur die empirische Forschung, sondern vor allem auch die Sozialtheorie bietet sich an, um mit ihrer Hilfe komplexe Mechanismen für eine forschungspraktische Toolbox zusammenzutragen … Die Aufarbeitung von Sozialtheorien durch die Überführung der ihnen zugrundeliegenden Kausalmodelle in die Systematik und Terminologie des Mechanismen-Ansatzes könnte ein großer Schritt dahin sein, dieses Erklärungsprogramm für die empirische Forschung attraktiv zu machen."

Ulf Tranow: "To explain why by explaining how". Rezension zu "Kausale Mechanismen und Process Tracing. Perspektiven der qualitativen Politikforschung" von Frank Nullmeier. In: Soziopolis – Gesellschaft beobachten. 10.10.2022, https://www.soziopolis.de/to-explain-why-by-explaining-how.html

Johannes Nagel vom Arbeitsbereich Global- und Verflechtungsgeschichte der Universität Bielefeld hat „Kausale Mechanismen und Process Tracing“ aus der Perspektive eines Historikers gelesen und für H-Soz-Kult rezensiert. Nagel empfiehlt solchen Historiker:innen die Lektüre des Buches, "… die der theoriebasierten Erklärung offen gegenüberstehen und sich dabei nicht auf die lockere Kommentierung von Quellenmaterial mit geborgter sozialwissenschaftlicher Terminologie beschränken, sondern methodisch konsequent vorgehen wollen". Er lobt den theoriegeschichtlichen Teil als "… konzisen Überblick zu Debatten in den Nachbarfächern, in die man sich sonst über verschiedene Literaturen einlesen müsste". Nullmeiers Systematisierung kausaler Mechanismen misst Nagel großen Wert für die die empirische historische Forschung bei, da sie für die Theorieanwendung und Operationalisierung eigener Vorhaben hilfreich sei: "Die methodologischen Ausführungen regen an, darüber nachzudenken, wie die Arbeit am Material und das Erklären in der Einzelfallanalyse zusammenhängen."

Johannes Nagel: Rezension zu: Nullmeier, Frank: Kausale Mechanismen und Process Tracing. Perspektiven der qualitativen Politikforschung. Frankfurt am Main 2021: ISBN 9783593512075, , In: H-Soz-Kult, 10.10.2022, https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-128189


Kontakt:
Prof. Dr. Frank Nullmeier
SFB 1342: Globale Entwicklungsdynamiken von Sozialpolitik
Mary-Somerville-Straße 7
28359 Bremen
Tel.: +49 421 218-58576
E-Mail: frank.nullmeier@uni-bremen.de

Welche Sozialpolitiken verfolgten Ost- und Westeuropa im Kalten Krieg? Welchen Einfluss hatte die Systemkonkurrenz? Wie verlief die Transformationsphase ab 1989? Diesen Fragen widmete sich die 4. Hermann-Weber-Konferenz in Berlin.

Für den Westen stellte der kommunistische Sozialstaat eine zentrale Herausforderung im Wettbewerb der Systeme dar. Im Wettbewerb der Systeme sollte auch die sozialpolitische Überlegenheit demonstriert werden. Das Ende des Kalten Krieges und der Wegfall des Legitimationsdrucks gegenüber dem jeweils anderen System wiederum waren Gründe für die Sozialstaatsreformen in den 1990er- und 2000er-Jahren in Ost und West, die auf der Konferenz ebenfalls diskutiert wurden.

Vom SFB 1342 nahmen sechs Wissenschaftler:innen teil:

  • Herbert Obinger erläuterte die Grundlagen des Verhältnisses von Kaltem Krieg, Kommunismus und Sozialpolitik
  • Carina Schmitt und Maria Ignatova-Pfarr hielten einen Vortrag über die Rentenpolitik Bulgariens während des Kalten Krieges
  • Delia González des Reufels hielt einen Vortrag zu der Sozialpolitik der letzten chilenischen Militärdiktatur im Kalten Krieg
  • Cornalius Torp hielt einen  Vortrag zur Rentenpolitik in Ost- und Westdeutschland im Kalten Krieg
  • Lukas Grawe hielt einen Vortrag zur Legitimation pronatalistischer Familienpolitik in der DDR.


Die 4. Hermann-Weber-Konferenz fand vom 8. Bis 10. Juni 2022 in Berlin statt. Veranstalter waren die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderte Nachwuchsgruppe „Der ‚aktivierende Sozialstaat‘ – eine Politik- und Gesellschaftsgeschichte deutscher Sozialpolitik, 1979–2017“ am SOCIUM der Universität Bremen und das Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung. Gefördert wurde die Konferenz durch die Gerda-und-Hermann-Weber-Stiftung.


Kontakt:
Prof. Dr. Delia González de Reufels
SFB 1342: Globale Entwicklungsdynamiken von Sozialpolitik, Institut für Geschichtswissenschaft / FB 08
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Tel.: +49 421 218-67200
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Dr. Lukas Grawe
Maria Ignatova-Pfarr
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Prof. Dr. Herbert Obinger
SFB 1342: Globale Entwicklungsdynamiken von Sozialpolitik
Mary-Somerville-Straße 5
28359 Bremen
Tel.: +49 421 218-58567
E-Mail: herbert.obinger@uni-bremen.de

Prof. Dr. Carina Schmitt
Feldkirchenstraße 21
96045 Bamberg
Tel.: 0951-863 2734
E-Mail: carina.schmitt@uni-bamberg.de

Prof. Dr. Cornelius Torp
In "Causal Mechanisms in the Global Development of Social Policies" präsentieren Johanna Kuhlmann und Frank Nullmeier einen neuartigen, modularen Ansatz zur Erklärung sozialpolitischer Entwicklungen.

Causal Mechanisms in the Global Development of Social Policies, herausgegeben von Johanna Kuhlmann und Frank Nullmeier, ist der achte Band der Serie Global Dynamics of Social Policy. Die Serie wird vom SFB 1342 finanziert und Lorraine Frisina Doetter, Delia González de Reufels, Kerstin Martens und Marianne Sandvad Ulriksen herausgegeben.

Der neue Band zu kausalen Mechanismen fasst wesentliche Ergebnisse des Projektbereichs B aus der ersten Förderphase des SFB 1342 zusammen: Neun Teilprojekte haben von 2018 bis 2021 in Fallstudien und qualitativen Analysen das Zusammenspiel von internationalen Verflechtungen mit lokalen Bedingungen und die daraus resultierenden sozialpolitischen Entwicklungsdynamiken in Ländern, Ländergruppen und Großregionen untersucht.

Dabei hat der Projektbereich B das Konzept der kausalen Mechanismen entwickelt, das Erklärungen sozialpolitischer Entwicklungen ermöglicht, welche die etablierten Ansätze der Forschung ergänzen, vertiefen und in einigen Fällen sogar korrigieren können.

Mechanismen und "process tracing" sind in der Politikwissenschaft nicht neu. Kuhlmann und Nullmeier stellen jedoch einen modularen Ansatz für Kausalmechanismen vor, der 1) elementare Kausalmechanismen auf der Ebene individueller und kollektiver Akteure mit 2) komplexen Kausalmechanismen kombiniert, die aus einer Abfolge von Aktivitäten bestehen, die wiederum durch elementare Kausalmechanismen erklärt werden können.

"Durch die Unterscheidung zwischen elementaren und komplexen Kausalmechanismen lassen sich Politikprozesse in einzelne Schritte und Sequenzen zerlegen, die dadurch genauer analysiert werden können", schreiben Kuhlmann und Nullmeier im Einleitungskapitel ihres Buches.

Durch die Kombination von Prozess- und Akteursorientierung sowie Modularisierung eröffnet das Konzept der kausalen Mechanismen neue Perspektiven für das gesamte Feld der Sozialpolitikforschung, sowohl in der makro-quantitativen, vergleichenden Sozialpolitikforschung als auch in der fallstudienzentrierten Arbeit zu einzelnen Ländern oder sozialpolitischen Programmen.

Die einzelnen Kapitel des Sammelbandes analysieren die Sozialpolitik in sehr unterschiedlichen Ländern rund um den Globus sowohl in einzelnen als auch in vergleichenden Fallstudien. Der Band ist in vier Teile gegliedert, die sich mit der Sozialpolitik in Asien, Afrika, Europa und Lateinamerika befassen. Darüber hinaus behandeln die Kapitel verschiedene Bereiche der Sozialpolitik, u.a. Altersvorsorge, Gesundheit, Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfälle, Langzeitpflege und Sozialhilfe.

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Causal Mechanisms in the Global Development of Social Policies ist Teil der Serie Global Dynamics of Social Policy, die im Open-Access-Modell bei Palgrave Macmillan erscheint. Alle Bände stehen kostenlos zum Download zur Verfügung.


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Dr. Johanna Kuhlmann
SFB 1342: Globale Entwicklungsdynamiken von Sozialpolitik
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Prof. Dr. Frank Nullmeier
SFB 1342: Globale Entwicklungsdynamiken von Sozialpolitik
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Der siebte Band der Palgrave-Macmillan-Reihe "Global Dynamics of Social Policy" beleuchtet in 39 Essays, wie inter- und transnationale Einflüsse die Sozialpolitik in verschiedensten Teilen der Welt beeinflusst haben.

Der Sammelband mit dem Titel "International Impacts on Social Policy - Short Histories in Global Perspective" wurde von Frank Nullmeier, Delia González de Reufels und Herbert Obinger herausgegeben und verdeutlicht in 39 zeitlich begrenzten Fallbeispielen die Bedeutung inter- und transnationaler Einflüsse für die Entwicklung nationalstaatlicher Sozialpolitik weltweit. Das Buch ist in vier Abschnitte gegliedert, in denen die Bedeutung von (1) Gewalt, (2) Internationalen Organisationen, (3) Handelsbeziehungen und Wirtschaftskrisen sowie von (4) Ideen, Netzwerken von Expert:innen und Migration analysiert wird. Die Beiträge illustrieren wichtige Teile der Ergebnisse, die der SFB 1342 und seine 15 Teilprojekte in der Zeit von 2018 bis 2021 erarbeitet haben.

Wie alle Teile der Reihe Global Dynamics of Social Policy erscheint auch dieser Band im Open-Access-Format, um die Forschungsergebnisse des SFB 1342 für die wissenschaftliche Community in allen Teilen der Welt leicht zugänglich zu machen.

Auf den Seiten von Palgrave Macmillan/Springer stehen der Gesamtband sowie die einzelnen Beiträge kostenlos zum Download zur Verfügung:

Frank Nullmeier, Delia González de Reufels, Herbert Obinger (Hg.)(2022): International Impacts on Social Policy - Short Histories in Global Perspective, Cham: Palgrave Macmillan.


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Prof. Dr. Delia González de Reufels
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Simon Gerards Iglesias, Prof. Dr. Delia González de Reufels
Simon Gerards Iglesias, Prof. Dr. Delia González de Reufels
Delia Gonzalez des Reufels und Simon Gerards stellten ihre Forschungsresultate vor der Vereinigung der europäischen Lateinamerikahistoriker*innen in Paris vor.

Vom 23.-27. August 2021 fand in Paris der Kongress der AHILA statt, bei dem Delia González de Reufels und Simon Gerards Iglesias von Teilprojekt B02 ihre Forschungsergebnisse im Rahmen eines eigenen Panels zur Geschichte der Sozialpolitik in Lateinamerika vor- und zur Diskussion gestellt haben. Unter dem Titel "Los vínculos de las políticas sociales estatales en Amércia Latina y sus representaciones mediáticas, siglos XIX y XX" führte das zweitägige Panel etablierte Historiker*innen zusammen, die über ihre Projekte zur Geschichte der staatlichen Sozialpolitik und deren mediale Repräsentation gesprochen haben.

Die Schwerpunkte lagen auf den Politikfeldern Arbeit, Bildung Gesundheit und Wohnen, deren historische Entwicklung sowie besondere sozialpolitische Instrumente beleuchtet wurden. Dabei wurden von den Beiträgen sowohl die nationalstaatlichen Bedingungen in den Ländern Argentinien, Brasilien, Chile, Mexiko und Uruguay als auch die Prozesse transnationalen Austausches, des Transfers von Wissen und Ideen beleuchtet. Die Bedeutung von gender für die historische Analyse von Sozialpolitik trat hier ebenso hervor wie die Rolle der Fotografie und des Mediums Film bzw. des Fernsehens. So trugen Claudia Agostoni von der UNAM in Mexiko, Washington Dener Santos Cunha von der Universidade do Estado do Rio do Janeiro in Brasilien und Maria Rosa Gudiños von der Universidad Nacional Pedagógica in Mexiko sowie acht lateinamerikanische Nachwuchshistoriker*innen vor, die auch die Forschungsprobleme und die besonderen Herausforderungen der Empirie diskutierten.

Delia González de Reufels legte in ihrem Beitrag den Schwerpunkt auf die Rolle der chilenischen Streitkräfte für die Entwicklung von Sozialpolitik seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert und die Verbindungen zwischen „warfare and welfare“ in diesem Pionierland lateinamerikanischer Sozialpolitik. Simon Gerards Iglesias stellte sein Dissertationsprojekt über die Beziehungen Argentiniens zur Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) vor und unterstrich die Bedeutung der transnationalen Wissensproduktion für die Herausbildung von Sozialpolitik. Martín Cortina Escudero, der im SFB-Teilprojekt B03 forscht, hat seine Erkenntnisse zur Bedeutung der kolonialen Vergangenheit für die Herausbildung von Sozialpolitik ebenso vorgestellt wie Teresa Huhle, die den SFB 1342 in diesem Frühjahr verlassen hatte, und zur Verbindung zwischen Bildung und Gesundheit am Beispiel der uruguayischen „Freiluftschulen“ gesprochen hat.

Die AHILA (Asocicación de Historiadores Latinomaericanistas) ist die Vereinigung der europäischen Lateinamerikahistoriker*innen, die Ende der 1970er-Jahre, mitten im Kalten Krieg, aus den Treffen der europäischen Amerikanisten hervorging. Ihr gehörten von Anfang an auch in Europa lebende Lateinamerikaner*innen sowie europäische Historiker*innern an, die jenseits des sogenannten Eisernen Vorhangs zur lateinamerikanischen Geschichte lehrten und forschten. Der Kongress der AHILA findet alle drei Jahre statt.

Der Kongress wurde organisiert und durchgeführt von den Historikerinnen Annick Lemprière, und Genevieve Verdó von der Université Paris 1, Panthéon-Sorbonne und dem dort angesiedelten Centre de Recherches d’histoire de l’Amérique Latine et du Monde Ibérique“, einem wichtigen Zentrum der europäischen Lateinamerikaforschung.  Delia González de Reufels steht seit den 1990er-Jahren im Austausch mit den Historikerinnen der Université Paris 1, Panthéon-Sorbonne und hat 2012 ein ERASMUS-Abkommen mit der Sorbonne geschlossen. Diese Kooperation soll in den nächsten Jahren fortgesetzt werden.


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Der Band beleuchtet die Geschichte und Grundlagen des Konzepts der kausalen Mechanismen und stellt – als ein zentrales Ergebnis von Teilprojekt B01 - eine Weiterentwicklung zu einer Theorie kausaler Mechanismen vor.

In seinem neuen Buch "Kausale Mechanismen und Process Tracing - Perspektiven der qualitativen Politikforschung" zeigt Frank Nullmeier, wie Politikforschung mittels Process Tracing systematisch angelegt und wie politische Prozesse mittels kausaler Mechanismen im Detail besser verstanden und erklärt werden können. Nullmeier beleuchtet zunächst die Geschichte und die theoretischen Grundlagen des Konzepts der kausalen Mechanismen und präsentiert darauf aufbauend eine Weiterentwicklung zu einer Theorie kausaler Mechanismen. Darüber hinaus erläutert er, wie in der sozialwissenschaftlichen Literatur bereits identifizierte Mechanismen zur Erklärung politischer Entwicklungen genutzt werden können. Das Buch bietet abschließend einen Leitfaden zur Vorgehensweise beim Process Tracing, mit dem Forscher*innen und Studierende eigenständige politische Prozesse analysieren können.

Frank Nullmeier wird sein Buch am 15. September 2021 auf dem DVPW-Kongress vorstellen: Unter dem Titel "Process Tracing – mehr als ein Buzzword" (12:30 – 13:00 Uhr) diskutiert Nullmeier mit seiner Kollegin Sybille Münch (Leuphana Universität Lüneburg) über den Nutzen des Konzepts der kausalen Mechanismen und des Process Tracings für die Politikwissenschaft.


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