In einem gemeinsamen, bei Palgrave Macmillan erschienenen Sammelband untersuchen die quantitativen Projekte des SFB 1342, ob und wie die globale Verbreitung einer Vielzahl von sozialpolitischen Programmen über verschiedene Netzwerkdimensionen erfolgt.

"Networks and Geographies of Global Social Policy Diffusion. Culture, Economy and Colonial Legacies", herausgegeben von Michael Windzio, Ivo Mossig, Fabian Besche-Truthe und Helen Seitzer, ist der sechste Band des SFB 1342 in der Reihe Global Dynamics of Social Policy, die bei Palgrave Macmillan erscheint. Auf 272 Seiten analysieren die Autor*innen die Einführung eines breiten Spektrums sozialpolitischer Programme - Arbeitsunfallversicherung, Schulpflicht, Erwachsenengrundbildung, öffentliche Gesundheitsversorgung, öffentliche Langzeitpflege, Familienpolitik und Antidiskriminierungsgesetzgebung. Sie verwenden Daten, die bis ins Jahr 1880 zurückreichen, und suchen nach dem Einfluss globaler Netzwerke auf die Verbreitung dieser Politiken. In dieser Perspektive werden Netzwerke des globalen Handels, der Kolonialgeschichte, der kulturellen Ähnlichkeit und der räumlichen Nähe als "Kanal-Strukturen" oder strukturelles Rückgrat des Diffusionsprozesses betrachtet.

Die Gesamtergebnisse zeigen, dass die Bedeutung internationaler Verflechtungen, die durch verschiedene Netzwerktypen erfasst werden, in den untersuchten Sozialpolitiken nicht homogen ist. "Die Ergebnisse legen nahe, dass räumliche Nähe in dieser Hinsicht der wichtigste Netzwerk-Faktor ist", schreiben Carina Schmitt und Herbert Obinger in ihrer Zusammenfassung des Buches. "Räumliche Nähe impliziert starke internationale Verflechtungen in vielerlei Hinsicht, wie grenzüberschreitende Migration, kulturelle Bindungen und Handelsbeziehungen. Darüber hinaus sind alle diese Verflechtungen ein Indiz für eine intensive grenzüberschreitende Kommunikation, die weithin als Hauptvoraussetzung für die Verbreitung politischer Maßnahmen angesehen wird." Interessanterweise wurden weder koloniale Bindungen noch Handelsbeziehungen als wichtige Erklärungsfaktoren identifiziert.

In allen Kapiteln dieses Buches wurden auch die wichtigsten innerstaatlichen Faktoren untersucht, die zur Einführung der jeweiligen sozialpolitischen Programme beigetragen haben, denn nur das Zusammenspiel von internationalen Verflechtungen und nationalen Faktoren erklärt die Einführung und Verbreitung von sozialpolitischen Maßnahmen.

Nachfolgend finden Sie eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse für die einzelnen sozialpolitischen Programme

Arbeitsunfall-Programme

Nate Breznau und Felix Lanver haben Staatsbildungs- und Demokratisierungsprozesse als zentrale Antriebsfaktoren für die Einführung von Arbeitsunfallprogrammen identifiziert. Räumliche Nähe und Handelsbeziehungen haben ebenfalls einen positiven, aber geringeren Effekt.

Schulpflichtige Bildung

Helen Seitzer, Fabian Besche-Truthe und Michael Windzio fanden heraus, dass das Netzwerk kultureller Ähnlichkeit bei der Verbreitung der Schulpflicht durchweg von Bedeutung war. Koloniale Einflüsse und Handelsnetzwerke hingegen zeigten keine signifikanten Ergebnisse. "Die Forschung zur Verbreitung von Bildungspolitik sollte wirtschaftliche Faktoren nicht ignorieren", schreiben die Autoren, "sondern neben den 'üblichen Verdächtigen' auch kulturelle Faktoren einbeziehen."

Grundbildung für Erwachsene

Kulturelle Ähnlichkeit hat im Fall von Grundbildung keinen robusten Einfluss, schreibt Fabian Besche-Truthe. "Alle Ergebnisse lassen mich an einen Diffusionsprozess glauben, der zwar nicht völlig erratisch ist, aber auch nicht durch Interdependenzen zwischen den Ländern strukturiert ist", interpretiert er seine Daten.

Gesundheitssysteme

Handelsnetzwerke können die Politikdiffusion in diesem Fall nicht erklären, stellen Alexander Polte, Sebastian Haunss, Achim Schmid, Gabriela de Carvalho und Heinz Rothgang fest. Auch die Verbindungen, die durch kulturelle Ähnlichkeit und koloniale Bindungen entstehen, bieten keine universelle Erklärung für die Einführung von Gesundheitssystemen. "Basierend auf unserem Wissen über Gesundheitssysteme auf der ganzen Welt gehen wir vielmehr davon aus, dass eher die Art als der Zeitpunkt der Systemeinführung durch transnationale Politikdiffusionsnetzwerke beeinflusst wird", schreibt das Autorenteam. Die Einführung von Gesundheitssystemen fand vor allem in wirtschaftlich wohlhabenden Ländern vor dem Zweiten Weltkrieg statt, der Effekt des BIP nimmt in den nachfolgenden Perioden ab. Darüber hinaus sinkt der Effekt der räumlichen Nähe im Laufe der Zeit, während der Effekt von Handelsnetzwerken zuzunehmen scheint.

Langzeitpflegesysteme

Johanna Fischer, Alexander Polte und Meika Sternkopf haben mehrere Faktoren identifiziert, die die Einführung von Langzeitpflegesystemen begünstigen, wobei sie feststellten, dass wir uns in diesem Bereich der Sozialpolitik noch in der frühen Phase der Verbreitung befinden. Abgesehen von der geografischen Nähe scheint es keine horizontale Diffusion über Netzwerke zu geben. Vielmehr hängt die Einführung von Langzeitpflegesystemen vom Problemdruck (Bevölkerung 75+), der politischen Stellung der Frau, dem Pro-Kopf-BIP und dem Grad der Demokratisierung ab.

Familienpolitik

Der bezahlte Mutterschaftsurlaub ist ein Paradebeispiel für die Agenda-Setting-Macht der ILO. Tobias Böger, Keonhi Son und Simone Tonelli haben herausgefunden, dass koloniale und andere imperiale Beziehungen eine wichtige Rolle bei der Entstehung anderer familienpolitischer Maßnahmen außerhalb Westeuropas spielen, z. B. bei der Einführung von Kinderbetreuungseinrichtungen am Arbeitsplatz. Die Einführung von Familienbeihilfen wie z.B. das Kindergeld wird durch niedrige Fruchtbarkeitsraten gefördert. 

Antidiskriminierungsgesetze in Beschäftigung und Beruf

Mit Ausnahme des Netzwerks der geografischen Nähe spielen die von Jenny Hahs untersuchten Netzwerke keine bedeutende Rolle als Verbreitungsweg. "Der Einfluss der ILO-Mitgliedschaft verlangsamt die Wirkung der Ratifizierung eher, als dass er sie unterstützt", folgert Hahs. "Überraschenderweise ist der Einfluss des nationalen De-jure-Status von Antidiskriminierungsrechten völlig irrelevant. Dies spricht für eine Entkopplung von transnationaler und nationaler Regulierung im Bereich der Antidiskriminierungsrechte."

Antidiskriminierungsvorschriften am Arbeitsplatz für die LGBTQ+-Gemeinschaft

Innerstaatliche Faktoren, vor allem der Demokratisierungsindex und der Gleichstellungsindex, haben einen sehr starken positiven Einfluss auf die Einführung von Antidiskriminierungsvorschriften, schreibt Helen Seitzer in ihrem Beitrag. "Das interessanteste Ergebnis der Analyse ist der negative Effekt des Netzwerks der kulturellen Sphären. Länder mit gemeinsamen kulturellen Merkmalen rufen keine Übertragungen hervor, im Gegenteil, sie verlangsamen die Verbreitung. Allerdings könnte dies nur für einige Länder der Fall sein."

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Windzio, Michael; Mossig, Ivo; Besche-Truthe, Fabian; Seitzer, Helen (Hg.), 2022: Networks and Geographies of Global Social Policy Diffusion. Culture, Economy and Colonial Legacies, Global Dynamics of Social Policy, Cham: Palgrave Macmillan, doi:10.1007%2F978-3-030-83403-6


Kontakt:
Dr. Fabian Besche-Truthe
SFB 1342: Globale Entwicklungsdynamiken von Sozialpolitik
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Prof. Dr. Ivo Mossig
SFB 1342: Globale Entwicklungsdynamiken von Sozialpolitik
Mary-Somerville-Straße 7
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Dr. Helen Seitzer
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Prof. Dr. Michael Windzio
SFB 1342: Globale Entwicklungsdynamiken von Sozialpolitik
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