Die Autor*innen dieser Sonderausgabe untersuchen, wie der Transfer von sozialpolitischen Konzepten - und in der Folge das Lernen - auf nationaler und lokaler Ebene in der post-sowjetischen Region stattfindet. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf der Frage, welche internationalen und nationalen Akteure an diesem Prozess beteiligt sind. Sie analysieren die Interaktion zwischen Internationalen Organisationen (IO) und nationalen Regierungen, zwischen IO und nationalen Experten sowie zwischen IO und lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO).
Zu dem Themenheft haben die vier Mitglieder des SFB-Teilprojektes B06, Andreas Heinrich, Heiko Pleines, Gulnaz Isabekova und Martin Brand, Beiträge geliefert.
Andreas Heinrich überprüft in seinem Artikel "The advice they give: Knowledge transfer of international organisations in countries of the former Soviet Union" die Annahmen der Literatur über die neoliberale Agenda ('Washington Consensus'), die von Internationalen Organisationen durch Wissenstransfer gefördert wird, und über die Macht, die sie demnach durch Kreditkonditionalität haben, um Ländern in finanzieller Not ihren Willen aufzuzwingen. Heinrich untersucht am Beispiel der Länder Kasachstan, Kirgisien und Russland, welche Ratschläge die IO zwischen 1991 und 2018 zur Reform der Gesundheitssysteme gegeben haben.
Heiko Pleines hat für seinen Beitrag "The framing of IMF and World Bank in political reform debates: The role of political orientation and policy fields in the cases of Russia and Ukraine" die Inhalte von Parlamentsdebatten in Russland und der Ukraine analysiert. In beiden Ländern lehnten sowohl linke als auch rechte Parteien eine Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfond (IWF) ab. Die Ukraine ist dennoch einer der größten Empfänger von IWF-Krediten. Aufgrund der fehlenden Unterstützung aus dem Parlament zog sich die ukrainische Regierung auf das Argument zurück, dass für die Reformen keine anderen Geldgeber verfügbar seien.
Gulnaz Isabekova betrachtet in ihrem Beitrag den Wissenstransfer auf lokaler Ebene. Ihr Artikel "Mutual learning on the local level: The Swiss Red Cross and the Village Health Committees in the Kyrgyz Republic" konzentriert sich auf die Interaktion zwischen IO und lokalen NGO, und dabei insbesondere auf das gegenseitige Lernen zwischen Gebern und Empfängern von Entwicklungshilfe. Dafür untersucht Isabekova das internationale Projekt "Community Action for Health", das darauf abzielt, ländliche Gemeinden in Kirgisistan zu stärken und ihre Beteiligung an der Gesundheitsversorgung zu fördern. Ihr Artikel analysiert die Faktoren, die gegenseitiges Lernen in der Praxis ermöglichen. Relevant sind demnach die Dezentralisierung der Organisation, die Projektleitung und deren Umgang mit Misserfolg, der kontinuierliche Kontakt zwischen Gebern und Empfängern von Entwicklungshilfe und die Betonung des Beitrags lokaler Expertise.
In seinem Beitrag "The OECD poverty rate: Lessons from the Russian case" betont Martin Brand die Notwendigkeit, die normative Annahmen über Armut bei der Verwendung von Armutsdaten explizit zu machen. Insbesondere für länderübergreifende Vergleiche von Armutsquoten plädiert Brand für einen mehrdimensionalen Armutsindikator, damit mehrere Facetten dieses Phänomens und die Besonderheiten des sozioökonomischen Gefüges der betrachteten Länder berücksichtigt werden.
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Das Themenheft bei „Global Social Policy“ ist aus einem internationalen Workshop zum Thema "International knowledge transfer in social policy: The case of the post-Soviet region" entstanden, der von Teilprojekt B06 am 9. November 2019 an der Universität Bremen durchgeführt worden war.
Lesen Sie das gesamte Themenheft online (einzelne Aufsätze open access):
Global Social Policy, Volume 21 Issue 1, April 2021
Kontakt:
Martin Brand
Dr. Andreas Heinrich
SFB 1342: Globale Entwicklungsdynamiken von Sozialpolitik
Klagenfurter Straße 8
28359 Bremen
Tel.: +49 421 218-57071
E-Mail: heinrich@uni-bremen.de
Dr. Gulnaz Isabekova
Prof. Dr. Heiko Pleines
SFB 1342: Globale Entwicklungsdynamiken von Sozialpolitik, Forschungsstelle Osteuropa
Klagenfurter Straße 8
28359 Bremen
Tel.: +49 421 218-69602
E-Mail: pleines@uni-bremen.de