Dr. Armin Müller
Dr. Armin Müller
Als Schüler wusste Armin Müller nichts über China, heute spricht er Mandarin und ist Experte für das chinesische Sozialsystem. Im Interview erzählt er, wie sich Staatszensur auf seine Arbeit auswirkt und was es mit Geldrecyclingmaschinen auf sich hat.

Was wärst du geworden, wenn du nicht Wissenschaftler geworden wärest?

Früher wollte ich mal Musiker werden. Ich hatte in der Schule schon Musik-Leistungskurs und habe klassische und elektrische Gitarre gespielt. Das hat mir Spaß gemacht, aber Wunsch und Realität passen nicht immer zusammen.

Das hast du ja offenbar rechtzeitig gemerkt und bist in die Wissenschaft gegangen. Wie kam es dazu?

Schon als Teenager habe ich mich sehr für Politik, Wirtschaft und die Zusammenhänge zwischen beiden interessiert, gerade auch was die Entwicklung außereuropäischer Gesellschaften angeht. Nach der Schule habe ich mich nach etwas umgesehen, das sowohl praxisorientiert ist als auch für mich persönlich spannend. Da hat sich Politikwissenschaft angeboten.

Du interessierst dich sehr für China. Wie kam es dazu?

Als ich 16 oder 17 war, habe ich angefangen, orientalische Philosophie zu lesen, wobei ich insbesondere Taoismus ziemlich spannend fand. Außerdem habe ich relativ früh mitbekommen, dass China bis 2020 eine starke politische und wirtschaftliche Stellung in der Welt haben wird. Ich musste aber feststellen, dass ich eigentlich gar nichts über das Land weiß abgesehen davon, dass dort eine kommunistische Partei regiert. Also dachte ich mir: Es wäre doch eine interessante Sache, sich das genauer anzuschauen.

China ist für die meisten Leute ein eher unzugänglicher Raum. Außerhalb der Hauptstädte spricht kaum jemand Englisch, auf den Straßenschildern stehen nur chinesische Schriftzeichen ... Wann bist du zum ersten Mal nach China gereist und wie war das?

Ich war 2003 zum ersten Mal in China. Da hatte ich allerdings bereits seit eineinhalb Jahren Chinesisch gelernt und konnte mich verständigen. Das machte das Land für mich wesentlich zugänglicher. Ich habe keine Vorstellung davon, wie es ist, ohne Chinesischkenntnisse in China herumzureisen. Insgesamt stelle ich es mir ziemlich schwierig vor, wobei die wichtigsten Schilder usw. mittlerweile auch ins Englische übersetzt werden. Manchmal schleichen sich allerdings Übersetzungsfehler ein, das kann ziemlich lustig sein, wenn ein Geldautomat z.B. die Aufschrift „Money Recycling Machine“ trägt.

Du sprichst mittlerweile fließend Chinesisch.

Ja. Wobei ich die Sprache ständig auffrischen muss. Ich lese zwar täglich chinesische Texte, vor allem wissenschaftliche. Aber das ist schon ein recht spezielles Vokabular. Daher nutze ich die Zeit, in der ich morgens auf dem Weg zur Jacobs University in der Bahn sitze, zum Vokabeln lernen.

China hat sich seit der Jahrtausendwende stark verändert, die staatliche Kontrolle und Zensur wächst. Wie wirkt sich das auf deine Arbeit als Wissenschaftler aus?

Zu Beginn des Jahrhunderts gab es eine Phase der Öffnung: Für einige Jahre war es vergleichsweise einfach, Forschung und Recherchen vor Ort durchzuführen. In den letzten Jahren ist es tendenziell wieder schwieriger geworden. Das gesellschaftliche Klima hat sich geändert, und viele Menschen sind heute vorsichtiger als vor zehn Jahren. Es kommt allerdings auch sehr darauf an, womit man sich beschäftigt. Sozialpolitik ist im Allgemeinen kein besonders heikles Thema.

Warum hast du dich auf Sozialpolitik spezialisiert?

Als es auf meine Magisterarbeit zuging, sind die neuen sozialpolitischen Initiativen Chinas, die wir in unserem Teilprojekt teilweise untersuchen, gerade angelaufen. Meinen Professor hat das auch interessiert und so habe ich angefangen, mich mit dem ländlichen Gesundheitssystem und der Krankenversorgung zu beschäftigen. Die sozialen Sicherungssysteme und die politischen und administrativen Prozesse in China sind ziemlich komplex, in diesem Bereich gibt es sehr viel zu tun.

Kannst du deine Rolle im Teilprojekt kurz umreißen?

Derzeit bin ich damit beschäftigt, eine interne Datenbank aufzusetzen um zu analysieren, wie sich die verschiedenen sozialen Sicherungsformen in den letzten Jahren ausgebreitet haben – insbesondere seit 2000, aber auch davor. Die Koordination unter den verschiedenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist auch eine wichtige Aufgabe, weil wir über zwei Universitäten verteilt sind. Es kommen auch noch zwei Doktorandinnen dazu.

Lieber Armin, vielen Dank für das Gespräch - wir wünschen dir und eurem gesamten Team viel Erfolg für eurer Projekt!


Kontakt:
Dr. Armin Müller
SFB 1342: Globale Entwicklungsdynamiken von Sozialpolitik, Research IV und China Global Center
Campus Ring 1
28759 Bremen
Tel.: +49 421 200-3473
E-Mail: armmueller@constructor.university